Bauen

Das neue Rathaus von Eging am See und der neugestaltete Platz davor. (Foto: Alex Fischl)

07.03.2024

Eine lebendige Ortsmitte

Neubau des Rathauses und Neugestaltung des Marktplatzes in Eging am See

Durch den Neubau des Rathauses und des Wohn- und Geschäftshauses ergab sich für die Marktgemeinde Eging am See die große Chance, ihre bauliche Mitte neu zu definieren. Größe und Lage des neuen Rathauses im Ort sind hervorragend dazu geeignet, gemeinsam mit der Pfarrkirche St. Ägidius, dem Gasthof zur Post, dem bestehenden sowie neuen Wohn- und Geschäftshaus einen Schwerpunkt öffentlicher Nutzungen und somit eine lebendige Ortsmitte zu bilden. Der polygonale Baukörper des Rathauses ist im Nordwesten des Wettbewerbsgebiets verortet und orientiert sich unter anderem über ein Sommerfoyer des Mehrzwecksaals zum Marktplatz und zur freien Landschaft im Norden.

Die Raumkanten der Baukörper bilden einen attraktiven, barrierefreien Platzraum mit einer hohen Aufenthaltsqualität und vielfältigen Nutzungen.

Der Entwurf des Architekturbüros WerkGemeinschaft Guttenberger Architektur – Stadtplanung, Stuttgart, lotete in seiner räumlichen Struktur und Materialverwendung das Spannungsfeld von Vergangenheit und Gegenwart aus, um zu einer harmonisch zeitgenössischen Interpretation des Ortes beizutragen. Ziel des Entwurfs war es, den Raum ganzheitlich zu ordnen und die umgebenden Gebäude in eine Struktur aus differenzierten Teilräumen mit großer Aufenthaltsqualität und eigenem Charakter einzubinden. Dazu wurden Platzflächen und Straßenraum räumlich definiert und zugleich Fußwegeverbindungen und Aufenthaltsbereiche neu entwickelt. Mit einer neuen multifunktionalen Platzfläche vor Kirche und Rathaus sowie gezielten Baumpflanzungen wurde die Atmosphäre des Ortes nachhaltig gestärkt und die Ortsdurchfahrt entschleunigt.

Die Grundidee des Platzentwurfs sah eine einheitliche Gestaltung der Gehweg- und Platzflächen vor. Das Materialkonzept, mit einem Granitpflasterplattenbelag auf der gesamten Platzfläche und großformatigen Betonfertigteile für Sitzbänke, unterstützt die räumliche Platzkonzeption und verbindet so traditionelle Materialien mit moderner Neugestaltung. Granit im Passeeverband aus dem Bayerischen Wald mit unterschiedlichen Steingrößen von quadratischem Kleinstein bis zu rechteckigen Bindersteinen zusammen mit der farblichen Durchmischung von Grau und Gelbtönen beleben die große Pflasterfläche. Der unregelmäßige Verlegeverband ermöglicht Scherkräfte für den Fahrverkehr und eine richtungslose Verlegung.

Betonsitzelemente

Die Platzfläche am Rathaus wird durch seitliche Lichtstelen einheitlich und lebendig erfahrbar. Weitere Lichtakzente setzt der beleuchtete neue Brunnen vor der Kirche. Durch die in die Sitzelemente integrierte Beleuchtung und die Bodenstrahler der Bestandsbäume an der Kirche kann hier mittels LED-Licht punktuell und gezielt inszeniert werden. Für Veranstaltungen, Feste oder den Wochenmarkt wurde zusätzlich eine Stromversorgung sowie Wasseranschlussmöglichkeiten über versenkbare Unterflurverteiler sichergestellt. Durch die den Platz begleitenden Betonsitzelemente mit Holzauflagen kann weitestgehend auf frei gestellte Bänke verzichtet werden. Die Betonelemente sind stabil vandalismussicher und bieten mit den Holzauflagen ein angenehmes Raumgefühl.

Mit dem Verzicht auf störende Einbauten innerhalb dieses Bereichs wird nicht nur eine größtmögliche Nutzungsvielfalt für die Platzfläche garantiert, sondern auch ein verkehrssicheres Vorfeld für Kirche und Rathaus gewährleistet.

Die Kirche St. Ägidius, die hinter dem Bestandsgebäude liegt, konnte im Zuge der städtebaulichen Neuordnung freigestellt werden. Der räumlich markante und architektonisch interessante Baukörper soll sich zukünftig selbstbewusst in dem umgestalteten Stadtraum präsentieren. Die Hauptfassade der Kirche wurde freigestellt und der östlich entstehende Freiraum mit einer quadratischen Brunneninstallation aufgewertet und für Kinder attraktiver gestaltet. Vorplatz und Brunnen werden durch ein Carrée aus hochstämmigen Winterlinden klassisch akzentuiert und markiert.

Ein amorphes Bauvolumen mit einhüftiger Satteldachstruktur definiert den prismischen Baukörper des Rathauses. Dieses stellt einen baulichen Akzent dar, der im Straßen- und Platzraum eindeutig als Rathaus zu erkennen ist. Es tritt in einen angemessenen, respektvollen und spannenden Dialog mit der Kirche. Durch die wahrnehmbaren Längen der Fassaden, ablesbaren Höhen der Traufen, die Proportionen und das Spiel mit den vorgefundenen Dachschrägen sowie den verputzten Wänden integriert sich der Neubau wie selbstverständlich in die gewachsene Bebauungsstruktur und ist dennoch klar als zeitgenössische Architektur zu erkennen.

Großzügiges Foyer

Der Haupteingang orientiert sich zum Platz nach Osten. Über den erdgeschossigen Einschnitt in das Gebäudevolumen, der gleichzeitig als Wetterschutz fungiert, gelangt der Besucher in ein großzügig geschnittenes Foyer, das ebenfalls als Wartebereich für das hier angeordnete, gut frequentierte Bürgerbüro/Einwohnermeldeamt, die Tourist-Info, das kleine Trauzimmer und den Mehrzwecksaal dient. Dieses einladend gestaltete Entrée ist Sinnbild einer transparenten kommunalen Verwaltung. Eine offene, über einen Innenhof belichtete Treppe und, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten, ein transparenter, verglaster Aufzug verknüpfen die Geschosse miteinander und schaffen eine einfache und übersichtliche Orientierung im Haus. Die einzelnen Verwaltungsbereiche sind entsprechend der funktionalen Erfordernisse sortiert untergebracht. Der Sitzungssaal ist über dem Mehrzwecksaal im 1. Obergeschoss mit weitsichtigem Ausblick in den Bayerischen Wald angeordnet.

Das kompakt organisierte Parkdeck mit 32 Stellplätzen für das Rathaus und den Mehrzwecksaal verfügt über separate Ausgänge mit Treppen und zwei Aufzügen im Rathaus und zum Platz. Das Parkdeck wird über eine Rampe im Westen des Rathauses diskret erschlossen.

Die tragenden Bauteile des Hauses sind als Stahlbetonkonstruktion mit Stützen, Wandscheiben und unterzuglosen Flachdecken ausgeführt. Hierdurch bestimmt sich das tragende System des Grundrisses. Die Bürozwischenwände wurden als Montagewände ausgeführt. Somit besteht eine Variabilität für zukünftige Veränderungen der Ausbaustruktur. Das Entwurfskonzept zeigt nach außen ein klares und bestimmtes Bild. Eine Fassade mit monolithischen Porenbetonsteinen, verputzt im Besenstrich, unterstützt diesen baulich homogenen Eindruck. Die horizontal gesetzten Fensteröffnungen ermöglichen eine variable Struktur der notwendigen Raumtrennungen.

Der außenliegende Sonnenschutz ist in den Außenwandaufbau integriert. Für die Büronutzungen und im Sitzungs- sowie Mehrzwecksaal gibt es zusätzlich einen innenliegenden Blendschutz. Im Inneren werden die Wandflächen verputzt; ausgewählte Stellen erhielten eine Holzverkleidung mit akustisch wirksamer Oberfläche. Als Bodenbelag kam im Foyer und in den Fluren im Erdgeschoss ein geschliffener Zementestrich zur Ausführung, die Büros erhielten einen Nadelfilzbelag, der Sitzungssaal und dessen Foyer einen Parkettboden in Eiche.

Nahwärmenetz

Hinsichtlich des Energiekonzepts kam ein Nahwärmenetz über ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW), an das auch das Wohn- und Geschäftshaus angeschlossen ist, zur Ausführung. Alternativen wie Holzpellets oder Erdwärmepumpe sollten in der späteren Projektentwicklung untersucht werden. Wesentlicher Aspekt der Entwicklung und Planung eines ganzheitlichen Gebäude- und Energiekonzepts ist es, bereits durch zahlreiche passive Maßnahmen den technischen Aufwand und damit verbunden auch den Energiebedarf für Strom, Heizung, Kühlung und Lüftung auf ein Minimum zu reduzieren. Übergeordnetes Ziel dabei ist es, so das Architekturbüro, durch eine hohe Qualität an visuellem, akustischem und thermischem Komfort eine hohe Attraktivität für die zukünftigen Nutzer zu bieten.

Der sommerliche Wärmeschutz wird durch passive Maßnahmen sichergestellt. Effiziente, außenliegende Verschattungseinrichtungen reduzieren die solaren Einträge. Exponierte thermische Gebäudemassen, insbesondere die Massivbetondecke, nehmen Wärme auf und reduzieren den Temperaturanstieg im Raum über den Tag. Nachts werden die Fenster geöffnet und Überschusswärme wird durch die natürliche Lüftung abgeführt. Die Wirtschaftlichkeit bei den Bauinvestitionen ist unter anderem durch die einfache, klare Hausform und das damit zusammenhängende minimierte Tragwerk gewährleistet. Die einfachen Konstruktionen garantieren angemessene Kosten und durch das alternative Energiekonzept bleiben auch Folgekosten niedrig. (BSZ)
 

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